Kulsums große Zukunft

Geschichten   I   Mathias Geisenfelder

   

„Folgen Sie mir! Aber passen Sie auf, der Durchgang ist sehr schmal“, warnte mich Kulsum. Projektleiter Jacob und ich bahnten uns gerade den Weg zu Kulsums Hütte. Es ist heiß, das Hemd klebt am Körper und der letzte Abschnitt ist so schmal, dass ich sogar mit meinem Equipment stecken blieb. Kulsum konnte sich das Lachen nicht verkneifen. 

„Das ist unsere Hütte, hier wohne ich mit meinen Eltern“, erklärte uns Kulsum, als wir die 5 m2 grosse Wellblechhütte betraten. Ein Bett, ein Schrank und Kochgeschirr. Mehr gab es in der Hütte nicht. Unter dem Wellblechdach musste es 50 Grad heiß gewesen sein.

 

„Unser Leben ist sehr hart. Wir müssen jeden Tag hart dafür arbeiten, um über die Runden zu kommen. Vor drei Monaten fiel ich beim Putzen vom Stuhl und habe mir eine Rippe gebrochen und meinen rechten Arm verstaucht“, erzählte uns Kulsums Mutter Hachira. „Eine Arztbehandlung und Medikamente kann ich mir nicht leisten. Seitdem kann ich nicht mehr arbeiten und mein Mann bringt nur unregelmäßig Geld nach Hause. Er hat nur einen Aushilfsjob und fährt eine Motor-Rikscha, wenn ein anderer Fahrer erkrankt ist.“, meinte Hachira mit Tränen in den Augen und schmerzverzerrten Gesicht. 


Tief erschüttert von ihrem Leiden und den Tränen nahe gab ich ihr das Geld für die Behandlung. Je eher sie wieder arbeiten kann, desto früher kann sie wieder für ihre Familie sorgen und neue Kraft schöpfen. Hachira sammelt für ein Textilunternehmen auf der Straße Kleiderfetzen und sortiert diese nach Farben. Diese Kleiderreste werden dann zu Decken weiterverarbeitet.


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„Natürlich haben wir Zukunftsträume für Kulsum. Wir wollen, dass sie gesund aufwächst und ein besseres Leben führen kann als wir es haben. Wir wollen, dass sie einen Schulabschluss macht, vielleicht sogar studiert. Wir wollen, dass sie Zukunftsträume hat und ihren Kindern später ein besseres Leben bieten kann. Aber wie sollen wir ihr das ermöglichen? Von unserem Monatseinkommen von 25 Euro geht schon die Hälfte für unsere Miete drauf. Der Rest reicht nicht einmal für unsere Nahrungsmittel. Wir sind sogar von unseren Verwandten abhängig, die uns regelmäßig etwas Geld geben. Wir könnten es Kulsum nicht ermöglichen eine Schule zu besuchen. Das Geld dafür haben wir nicht“, erklärte uns Hachira verzweifelt.


Doch Kulsum ist intelligent. Sie ist fleissig und fest entschlossen, etwas aus ihrem Leben zu machen. Vielleicht wird sie sogar Ärztin. Als sie mir eine Geschichte aus ihrem Englischbuch vorlas, schossen mir viele Gedanken durch den Kopf: Welche Talente könnte Kulsum nicht entfalten, wenn sie nicht zur Schule ginge? Hätte sie überhaupt Zukunftsträume oder würde sie sich nur mit ihrem Schicksal abfinden? Würde sie später eine Arbeit finden? Und in diesem Moment spürte ich eine tiefe Zufriedenheit, eine tiefe Dankbarkeit gegenüber unseren Spendern. Mir wurde in diesem Moment wieder bewusst, wie unsere Unterstützer das Leben dieser Kinder verbessern.

 

Diese positive Veränderung ist nicht nur langfristig durch einen Schulabschluss und eine bessere Arbeit zu sehen. Diese Veränderung ist sofort sichtbar: an den glänzenden Augen, den Zukunftsträumen und dem ansteckenden Lächeln. Die Kinder blühen regelrecht auf, weil sie merken, dass sich jemand für sie interessiert, dass sie jemandem etwas bedeuten, dass sie jemandem am Herzen liegen. Sie sind jetzt lebensfroher, glücklicher. Bildung veränderte ihr Leben!


   

„Wie hat sich Kulsum verändert, seitdem sie in unsere Schule geht?“, fragte ich Hachira. „Sie kann jetzt lesen und schreiben und liest uns gelegentlich die Zeitung vor. Wir sind sehr stolz auf sie“, erzählte sie mir, während sie Kulsum liebevoll durch die Haare strich. „Sie ist auch seltener krank und wäscht sich öfter die Hände. Sie achtet sehr darauf gepflegt in die Schule zu gehen. Sie will natürlich möglichst hübsch aussehen“, ergänzte Hachira mit einem Lächeln. 


„Kulsum war immer sehr schüchtern und sehr still. Wenn man sie etwas fragte, dann fing sie sogar manchmal zu weinen an. Aber das hat sich geändert“, erzählte mir Kulsums Freundin Runa, die bisher still neben uns auf dem Bett saß. In der Tat, ich hätte nie gedacht, dass Kulsum einmal schüchtern war. Ich kenne sie nur als sehr lebhaftes Mädchen. Sie hat stets ein Lächeln auf den Lippen und redet sogar manchmal zu viel.

 

Wieder zurück in meiner Unterkunft ließ ich dieses Gespräch noch einmal auf mich wirken. Mir wurde erneut bewusst, welchen Einfluss unsere Arbeit auf diese Familien hat. Gemeinsam verändern wir das Leben dieser Kinder! Ich verspürte eine tiefe Dankbarkeit gegenüber unseren Unterstützern und sogar kleine Freudentränen schossen mir in die Augen. Ohne Ihre Hilfe könnten sich unsere Kindern nicht so positiv entwickeln. Das alles machen Sie möglich! Und vielleicht wird Kulsum sogar studieren und Ärztin werden.

   



 
 

Über den Autor

   

Mathias Geisenfelder ist Gründer und 1. Vorstand von Banglakids. Er hat einen großen Traum: Mit der Hilfe zahlreicher Unterstützer will er das Leben der Kinder in Bangladesch verändern.

 

   
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